Tutorial

Grundlagen 24Ghz Radarsensorik

Stand: 14.05.2020

Wenn man das Wort "Radar" hört, denkt man schnell an einen Monitor mit grünen Punkten oder an das böse Polizeiradar. Viele von euch wissen nicht, dass sie täglich mit Radarsensoren konfrontiert werden. Zum Beispiel in Form eines automatischen Türöffners. Radarsensoren sind mittlerweile auch für Hobbybastler bezahlbar geworden und ich möchten euch gerne zeigen, was man mit Radarsensoren machen kann.

Was kann ich mit einem Radarsensor machen?

Je nachdem welche Art von Radarsensor man hat, kann man folgendes damit erfassen:

Wie funktioniert ein Radarsensor?

Ganz einfach erklärt sendet der Sensor ein Signal aus, welches das zu detektierende Objekt an den Sensor zurückreflektiert. Nun wird das empfangene Signal aufbereitet und uns in Form einer Frequenz zur Verfügung gestellt. Je nachdem aus welchem Material das Objekt besteht, reflektiert es besser oder schlechter. Ein Auto z.B. bietet ein perfektes Ziel. Doch auch Menschen lassen sich sehr gut erfassen.

Welche Vorteile hat Radar im Vergleich zu z.B. Infrarot oder Videotechnik?

Für einen einfachen Bewegungsmelder zum Licht einschalten lässt sich sicherlich auch Infrarot einsetzen. Aber ein Radarsensor hat zwei deutliche Vorteile:

Los geht es:

Ich möchte euch in diesem ersten Beitrag den IPM-165 Sensor der Firma InnoSenT vorstellen. Der gleiche Sensor wird auch durch die Firma B+B Thermo-Technik vertrieben und ist z.B. bei Conrad oder Voelkner unter der Produktebezeichnung RSM-1650 erhältlich. Der IPM-165 kann auch über meinen Shop bezogen werden (Link ist etwas weiter unten). Es handelt sich hierbei um einen Lowcost 24 GHz CW Radarsensor. Mit dem IPM-165/ RSM-1650 können wir bewegte Objekte und deren Geschwindigkeit bis zu ca. 15 Meter erfassen.

Typ Beschreibung Download-Link
  Shop IPM-165 Radarsensor  Link  
  PDF IPM-165 Datenblatt  Download 

Nachdem wir uns den Sensor besorgt haben, stoßen wir schon auf die erste Hürde. Der Sensor scheint eigentlich ganz einfach zu sein. Es gibt nur 3 Pins VCC(+5V), GND, SIGNAL. Wenn wir jetzt aber den IPM-1650 anschließen, werden wir schnell feststellen, dass am Signalpin so gut wie überhaupt nichts rauskommt. Ist jetzt also der Sensor kaputt? Der Sensor ist in der Tat sehr ESD empfindlich und sollte sehr vorsichtig behandelt werden (nicht an den Pins anfassen), solange er noch nicht in einer Schaltung verbaut ist. Der Sensor benötigt aber des weiteren erstmal einen NF-Vorverstärker.

Wozu brauche ich einen NF-Vorverstärker?

Wir müssen also unser Signal zuerst noch verstärken. Dieser Vorverstärker nervt zwar, bietet uns aber noch ein paar Vorteile.

Ohne große Berechnungsformeln und Erklärungen zur Berechnung eines NF-Verstärkers, hier der fertige Verstärker für unser erstes Beispiel. Die Größe habe ich auf unseren Sensor angepasst.

Verstärker Eigenschaften
Verstärkung 73 dB (eine gute Reichweite bis ca. 10-15m für die Erfassung von Menschen)
Frequenzband 15-484 Hz (Geschwindigkeiten von 0,34 km/h – 11 km/h)

Die für die Schaltung benötigten Bauteile finden sie in unten stehender Liste. Diese können z.B. über Conrad, Reichelt etc. bezogen werden. 
Ein Link zu den Eagle Files ist ebenfalls beigefügt. Natürlich können sie die komplette (erweiterte) Schaltung inkl. Radarsensor auch Fix und Fertig in meinem Shop kaufen.

Bauteil Wert Bezeichnung
C1 4.7uF SMD-Tantal-Kondensator
C2 1.5nF Kondensator C0805
C3 4.7uF SMD-Tantal-Kondensator
C4 3.3nF Kondensator C0805
C5 220uF SMD-Tantal-Kondensator
C6 100nF Kondensator C0805
R1 2.2k Widerstand R1206
R2 220k Widerstand R1206
R3 2.2k Widerstand R1206
R4 100k Widerstand R1206
R5 100k Widerstand R1206
R6 1k Widerstand R1206
R7 1k Widerstand R1206
SL2 3 PIN Header Stiftleiste 2.54mm Raster
SL3 3 PIN Header Stiftleiste 2.54mm Raster
IC LMV358 2-fach Operationsverstärker SO8
Typ Beschreibung Download-Link
  ZIP Eagle Layout und Schaltplan  Download  

Wichtig bei der Verstärkerschaltung:

Die Werte der Widerstände und Kondensatoren müssen exakt so gewählt werden, wie beschrieben. Verwendet ihr andere Werte (weil z.B. zufällig kein 3,3nF da war), stimmen die Verstärker Eigenschaften nicht mehr.

Nachdem wir nun unsere Verstärkerschaltung aufgebaut und unseren Sensor angeschlossen haben, kommt nun der große Moment. Wenn die komplette Schaltung ca. 30-40mA zieht, dann passt alles. Jetzt schließen wir den Ausgangspin des Verstärkers an ein Oszilloskop an. Solltet ihr kein Oszilloskop haben, könnt ihr zur Not auch den Mikrofoneingang der Soundkarte im Pc verwenden.

Solange sich nichts vor dem Sensor bewegt, sehen wir eine schöne gerade Linie am Oszilloskop. Wenn wir jetzt mit der Hand davor uns bewegen, sehen wir ein wellenförmiges Signal. JUHU! Unser Radarsensor spuckt also nun ein analoges Signal aus.

Wie werte ich das Signal jetzt aus?

Bevor wir uns nun überlegen wie und was ausgewertet werden soll, muss das analoge Signal erstmal erfasst werden. Ein Oszilloskop liest das Signal zwar schön ein, gibt uns aber keine Möglichkeit damit Berechnungen zu erstellen. 

Aus diesem Grund nehmen wir jetzt einem Atmel Microcontroller. Jeder Controller der ATMEGA Reihe besitzt einen oder mehrere ADCs (Analog Digital Converter). Mit Hilfe des ADC können wir das analoge Signal in digitale Werte umwandeln (samplen). Ich verwende in diesem Beispiel einen ATMEGA16 (ein Atmega8 reicht auch aus). Um sauber samplen zu können, müssen wir darauf achten, dass die Versorgungsspannung sauber ist und der Pin AVCC am ATMEGA an der Versorgungsspannung hängt. Sollte die Versorgungsspannung Störungen beinhalten bzw. der ADC am ATMEGA nicht richtig beschaltet sein, sehen wir das später in unserem Radarsignal und es erschwert uns die Auswertung. Die minimale Beschaltung bei der Verwendung des ADCs wird auf dieser Seite sehr schön erklärt: http://www.mikrocontroller.net/articles/AVR-Tutorial:_ADC

Um das Radarsignal zu visualisieren und die Auswertung zu vereinfachen, benutze ich den ATMEGA nur zum samplen und leite die eingelesenen Werte per USB/RS232 an den Pc weiter. Das geht ganz einfach mit dem FT232RL IC von FTDI. Ich schicke nun also nur einen kleinen Befehl (&HFB) an den ATMEGA und dieser liefert mir 128 gesampelte 8-Bit Messwerte im Bereich 0-255.

Das Programm zur Auswertung habe ich in VB.Net 2010 geschrieben. Auf dem linken Bild sehen wir nun das Radarsignal, wenn sich nichts bewegt. Auf dem rechten Bild sehen wir das Signal, wenn sich etwas vor dem Sensor bewegt.

Die Auswertung

Jetzt wo wir die Daten in digitaler Form vorliegen haben, können wir mit der Auswertung beginnen. Unser RSM-1650 Sensor ist in der Lage uns folgende Informationen zu liefern:

1. Bewegt sich ein Objekt vor dem Sensor
2. Bewegt sich ein oder mehrere Objekt(e) vor dem Sensor und mit welcher Geschwindigkeit

Möglichkeit Nr. 1

Die erste Auswertemöglichkeit ist mit Abstand die Einfachste. Wir möchten einfach nur erkennen, ob sich ein Objekt vor dem Sensor bewegt. Wir wissen bei dieser Auswertemethode aber nicht, ob es sich nur um ein oder mehrere Objekt(e) handelt. Des Weiteren erfassen wir auch keine Geschwindigkeit.
Wir bekommen vom Microcontroller 128 Werte zwischen 0 und 255. Wenn sich nichts bewegt, sollte unser Rauschwert ständig so ca. um die 133 sein. Jetzt setzen wir uns einen Schwellwert. Je niedriger wir diesen setzen, umso empfindlicher werden wir darauf reagieren. Ich setze nun mal den Schwellwert z.B. auf 140. Bewegen wir uns jetzt vor dem Sensor, müssen wir nur noch abfragen, ob mindestens ein Wert unserer 128 Messwerte über die 140 geht. Wenn das der Fall ist, bewegt sich also etwas und wir geben Alarm.

Das Ganze können wir noch ein bisschen intelligenter machen. Sollte z.B. eine Fliege vor dem Sensor vorbei fliegen, könnte das auch den Alarm auslösen. Bei diesem Problem wäre zu prüfen, wie lange und wie oft unser Schwellwert überschritten wird. Somit können wir unterscheiden, ob eine Fliege nur ganz kurz vorbei fliegt oder sich ein Mensch länger davor bewegt.

Möglichkeit Nr. 2

Bei der zweiten Auswertemöglichkeit möchten wir die Geschwindigkeit des Objektes erfassen. Zuvor haben wir an unseren 128 Werten gesehen, dass der Sensor ein wellenförmiges Signal liefert. Wir sehen hier die Dopplerfrequenz. Eine Schwingung entspricht 1 Hz. Um die Geschwindigkeit des Objekts aus der Dopplerfrequenz zu berechnen, gibt es eine ganz einfache Faustformel.

44Hz entspricht 1 km/h

Dies gilt nur für einen Sensor mit 24 GHz Sendefrequenz und wenn sich das Objekt geradlinig zum Sensor hin oder davon bewegt. Bewegt sich das Objekt unter einem Winkel (z.B. 45°) am Sensor vorbei, muss noch cos(a) mit einbezogen werden.

44Hz * cos(45°) entspricht damit also ca. 0,70 km/h

Missachten wir den Winkel entstehen Abweichungen in der Genauigkeit. Das ist z.B. auch der Grund, warum ein Polizeiradar immer exakt zur Fahrbahn ausgerichtet werden muss bzw. der Winkelfehler kompensiert werden muss. Wenn es uns aber nicht genau auf die Geschwindigkeit ankommt (z.B. Alarmanlage), kann der Winkel auch vernachlässigt werden.

Zurück zur Auswertung. Wir zählen nun einfach wie viele Sinuswellen wir in der Sekunde erhalten und teilen den Wert durch 44 um km/h zu erhalten. Diese Auswertung hat nur einen Haken! Das funktioniert nur, solange sich ein einziges Objekt vor dem Sensor bewegt. Bewegen sich nun zwei Objekte oder mehr vor dem Sensor, erhalten wir einen Frequenz Mischmasch. Das Sinussignal sieht dann dementsprechend anders aus und die Auswertung wird ein völlig falsches Ergebnis liefern. Wenn wir z.B. ein Auto messen, wird diese Auswertung wahrscheinlich gut funktionieren. Messen wir einen Fußgänger der dummerweise noch seine Arme hin und her bewegt, haben wir schon drei Objekte. Eventuell sogar fünf Objekte, da der Sensor auch die Beine sieht. Die Auswertung ist also nur bedingt einsetzbar. Dafür aber einfach.

Des Weiteren können uns auch noch diverse Störsignale das Leben schwer machen.

Als Lösung kann man am Verstärker die Bandbreite verändern und die untere Frequenzgrenze erhöhen (z.B. 88Hz). Somit blenden wir den störanfälligen Bereich bis 60 Hz einfach aus. Erfassen dadurch aber erst Objekte ab 2 km/h. Was in den meisten Fällen nicht weiter schlimm ist. Man kann auch in die Verstärkerschaltung einen sogenannten Kerbfilter einfügen. Der ist aber teuer und aufwendig. Davon rate ich ab. ABER es gibt noch eine weitere Auswertemöglichkeit Nr.3!!

Möglichkeit Nr. 3

Die dritte Auswertemöglichkeit wird etwas schwieriger. Das Stichwort lautet FFT (Fast Fourier Transformation). Mit Hilfe einer FFT Berechnung können wir unser gesampeltes Sinussignal (=Zeitsignal) in  Frequenz (Hz) und relative Signalstärke umrechnen.
Bei einem Objekt sieht das Ergebnis folgendermaßen aus:

1. Objekt mit 1 km/h entspricht 44 Hz

Bei zwei Objekten:

1. Objekt mit 1 km/h entspricht 44 Hz
2. Objekt mit 5 km/h entspricht 220 Hz

Wir sehen nun, bei einer FFT bekommen wir die Objekte bei einer bestimmten Geschwindigkeit in Form von Peaks geliefert. Je besser das Objekt unser Signal reflektiert, umso höher der Peak. Eine FFT ermöglicht uns auch bestimmte Frequenzbereiche einfach zu missachten. Somit lassen sich z.B. Störsignale filtern. Die Bilder zeigen hier simulierte Messwerte. Die Wirklichkeit sieht ein bisschen unschöner aus. 

Hier eröffnet sich eine neue Welt! Die Welt der digitalen Signalverarbeitung (DSP).

Wie funktioniert eine FFT?

Das ist eine gute Frage. Die Erklärung ist sehr kompliziert und würde ein ganzes Buch füllen können.  Aber das ist egal, denn es kommt auf das Ergebnis an. Verschiedene FFT Routinen sind leicht im Netz auffindbar. Ein wunderbares Beispielprogramm gibt es unter folgender Adresse: 

http://www.logix4u.net/component/content/article/19-fast-fourier-transform/23-visual-basic-program-for-fast-fourier-transform

Interessiert an einem praktischen Beispiel?

Ich habe ein kleines Radarsensor Evaluation Board entwickelt. Als Mikrocontroller wird ein Atmel AVR Atmega1284P verwendet. Das Board enthält Softwarebeispiele für einen einfachen Bewegungsmelder und eine FFT Berechnung mit Auswertung der Geschwindigkeit. Das Board finden Sie unter dem Beitrag "Radar Evaluation Board". Es ist auch im Webshop erhältlich.

Interessiert Sie das Thema Radarsensorik?

Das folgende Buch versucht über 178 Seiten, den unbedarften Leser in die geheimnisumwitterte Thematik der „Radarsensorik“ einzuführen und ihm nahezubringen, dass er unbewusst täglich damit zu tun hat. Keine Angst, man braucht kein Ingenieur oder Physiker zu sein, um dieses Buch zu verstehen. Im Gegenteil, am besten geht man unvoreingenommen an dieses Thema heran und lässt sich in drei Kapiteln erzählen, - worum es bei Radarsensorik überhaupt geht - wo sie einem auf Schritt und Tritt begegnet - was die einfachsten physikalischen Grundlagen dafür sind.